Jutte - Polizeiwaffen im japanischen Mittelalter I


Aus alten Quellen ist überliefert, dass die drei historischen Polizeiwaffen das Hananeji, Kusarifundô und Jutte waren. Da Polizisten oftmals nicht dem Stand der Samurai angehörten, war es ihnen nicht möglich Schwerter zu tragen. Sie konnten jedoch auf spezifische Polizei-Waffen zurückgreifen. Diese Background-Serie befasst sich mit den drei Wichtigsten:

Das Jutte kann als die Polizeiwaffe Japans schlechthin betrachtet werden. Sie kam ähnlich wie die anderen beiden im Laufe der Sengoku-Zeit (1467-1575) bei Ordnungshütern und Wachpersonal in grösserer Form als so genanntes Harai Jutte mit ca. 1m Länge in Mode, doch war es wiederum die Edô-Zeit (1603-1868), welche ihren Ruf landesweit bekannt machte und eine Standardisierung herbeiführte. Da es ausschliesslich höchstrangigen Polizei-Offizieren aus dem Samurai-Stand erlaubt war, Schwerter zu tragen, wurde das Jutte vergleichbar mit der heutigen Polizeimarke das offizielle Zeichen für Gerechtigkeit in der japanischen Gesellschaft unter dem Slogan Haja Kenshô (das Böse besiegen und Gerechtigkeit walten lassen).

Als Polizei-Rangabzeichen ist es verständlich, dass je nach Ranghöhe die Form und Qualität variierte. Während hohe Polizei-Organe kleine Jutte auf sich trugen, welche schön mit Ornamenten versehen waren oder in Brokat-Täschchen getragen wurden, wurden die Jutte der Machikata dôshin, welche effektiv auf den Strassen für Ruhe und Ordnung sorgen mussten, grösser und schwerer oder billigere Ausführungen wurden aus Holz gefertigt. Den Meisten gemein ist jedoch ein stumpfer Schaft (bôshin) mit einer ebenfalls stumpfen Pike (kagi) plus Kordel.

Das Jutte hat im Gegensatz zum Hananeji, einer anderen historischen Polizei-Waffe, einen Schwertfang (kagi) von unterschiedlicher Grösse, mit dem es neben Schlagen und Stechen, Hebeln etc. möglich ist, gefährliche Angriffs-Waffen wie Schwerter und Messer oder jegliche andere Waffen zu fangen und sie zu immobilisieren. Dies ist ein grosser Nutzen dieses Utensils und war sicher ein wesentlicher Grund, weshalb das Jutte zur Polizeiwaffe in Japan avancierte.

So kam es in der Edô-Zeit, dass auch Polizisten anfingen, in Dôjô ihre Techniken zu trainieren und es entstanden Dutzende von Jutte-ryûha (Schulen). In der Mitte der Edô-Zeit versuchte Shôgun Tokugawa Yoshimune (1684-1751) im Zuge seiner Reformen auch eine Vereinheitlichung der Jutte-Techniken für Polizeiorgane zu erlassen, indem er aus 30 Schulen Techniken unter dem Namen Edô machikata juttedori nawa atsukai yô (Jutte- und Seil-Verhaftungstechniken im Edô-Stil) standardisierte. Die Lage im übrigen Lande blieb jedoch so divers wie sie bis anhin gewesen war. Dies reflektiert sich nicht nur in den unterschiedlichen Schulen mit ihren Techniken, sondern auch in den verschiedensten Ausprägungen des Jutte und ihrer Namen. Der Gebräuchlichste ist Jutte, welcher mit den japanischen Kanji Zehn und Hand geschrieben wird und je nach Schule andere Bedeutungen hat, hier die gängigsten zwei: Kraft wie zehn Männer zu besitzen oder Kraft in alle zehn Himmelsrichtungen (gegen jegliche Angriffe) zu besitzen. Die verschiedenen Namen sind unten stehend nach Bedeutung aufgeführt: 

 

Zehn Hände - Jutte, Jitte, Jittô, 

Fingerkunst - Jutsute, Sakate, Tenki, Bô no Te

Knochenaxt - Koppu, Honeono, Kotsukin

Eisenknüppel - Ginbô, Tetsushaku, Tebô

Eisenschwert - Tetsuken, Tekkan, Tettô

Eisenhellebarde - Tetsu Hoko, Tetsuboko

 

Jutte ryûha gab es wie oben beschrieben Dutzende, hier eine kleine Auswahl: Masakiryû, Tôriryû, Ikkakuryû, Komagawa Kaishinryû, Shibukawaryû, Kukishinryû, Enmeiryû, Rikishinryû, Imaedashinryû.

 

Eine interessante Ausprägung in der Vielzahl der Jutte ist eine Spezialform namens Marohoshi. Sie wurde sowohl in der Enmeiryû, der Ikkakuryû als auch der Tôriryû tradiert und besonders der Vater von Miyamoto Musashi, ein berühmter Juttemeister seiner Zeit, war bekannt dafür. Sie wird meistens aus drei Teilen zusammengesetzt und wurde in den besagten Schulen auch als Zweitwaffe neben dem Schwert gezogen. Dies ist wohl der Ursprung und die Inspirationsquelle für die Zwei-Schwert-Schule, welche Miyamoto Musashi selber in der Niten Ichiryû entwickelte.

 

Das Jutte hat sich grob gesagt in Japan neben dem weniger gebräuchlichen Hananeji und den Einflüssen des Police-Baton westlicher Herkunft zu dem heute gebräuchlichen Polizeimehrzweckstock entwickelt. Da es jedoch von Land zu Land nicht vergleichbare Polizei-Ausbildungen gibt, ist auch dessen Nutzung und Techniken in der Gegenwart überall verschieden. Der auf den ersten Blick ähnlich aussehende moderne PR24 kann wegen der anderen Anwendungsweise, Einsatz-Techniken und Körperzielen nicht direkt mit dem Jutte verglichen werden. 

 

Referenz

Nawa Yumio: Jutte - Torinawa Jiten, 1996.

Iwai: Hibuki no subete ga wakaru hon, 1999.

Cunningham: Taiho-Jutsu, 2004.

Manaka Unsui: Juttejutsu, 1999.